Rotbuche, die Königin der Wälder
Im April, je nach Wetterlage, schälen sich die kleinen Rotbuchenkinder aus ihren Verpackungen. Sie haben den langen Winter abgewartet, bis es wieder heller und ein wenig wärmer wird. Dann bekommt die Nuss der Buchecker den Impuls sich selbst zu gebären.
Wenn ich um diese Zeit in den Buchenwäldern unterwegs bin, komme ich mir oft vor, wie in einer Wandelhalle oder Kathedrale. Die mächtigen Stämme mit ihrer dünnen Rinde, die bald durch ein dichtes Blätterdach geschützt werden, machen auf mich einen fast heiligen Eindruck. Und wenn ich zwischen den Stämmen wandle, entdecke ich so allerlei Frühblüher, wie Lerchensporn, Buschwindröschen und Co. Ab und an lugt ein vorwitziger Buchenkeimling aus dem Erdboden hervor und entfaltet sein Keimblätter, die aussehen wie kleine Elefantenohren. Wenn es im Herbst ein Mastjahr gegeben hat, also der Baum viele Bucheckern in die Obhut der Erde entsendet hat, gibt es im Frühjahr auch viele Buchenkeimlinge.
Dann ist es an der Zeit, diese Köstlichkeit als Leckerei auf den Tisch zu bringen. Denn Buchenkeimlinge kann man essen! Bestenfalls die, die gerade ihre Keimblätter entfaltet haben. Man knipst sie ab und brät sie für 1-3 min in Olivenöl in der Pfanne an. Diese außergewöhnliche Leckerei, die nussig schmeckt, genießt man pur oder auf Salat. Wir schaden dem Bestand damit nicht, denn nur ein winziger Bruchteil der kleinen Buchenkinder schafft es, zu einem erwachsenen Baum heranzuwachsen. Ist er dann irgendwann 25 Meter hoch, produziert er am Tag den Sauerstoffbedarf für 50 Menschen, filtert jede Menge Staub und setzt 50 Kubikmeter Wasser um.
Wenn sich dann im Mai die frischen Blätter entfalten, kann man auch diese als Beigabe in einen Salat geben. Sie schmecken leicht säuerlich.
Wir können froh sein, dass wir noch große Rotbuchenbestände haben, denn im Mittelalter war sie fast ausgerottet. Man verbrauchte das Holz für die Seifen- und Glasherstellung.
Der Name Rotbuche kommt daher, weil das Holz leicht rötlich ist. Die Buchen, die eine dunkelrote Blattfärbung haben, bezeichnet man als Blutbuche. Und die Weißbuche, die im Gegensatz zur Rotbuche einen gesägten Blattrand hat, hat entwicklungsgeschichtlich nichts mit der Rotbuche zu tun. Die Weißbuche gehört nämlich in die Pflanzenfamilie der Birkengewächse und die Rotbuche zu den Buchengewächsen.